Der europäische Hauptevent der Speciality Coffee Association ist die jährlich wandernde "World of Coffee". Neben den Weltmeisterschaften in Latte Art, Ibrik, Rösten und Coffee in Good Spirits waren auch knapp 100 Spezialitätenröster aus aller Welt und viele Rohkaffee-Anbieter präsent. So weit - so üblich bei der Veranstaltung.
Da die Veranstaltung aufgrund der ukrainischen Flüchtlingssituation von Warschau nach Mailand verlegt wurde, hatten auch fast alle Maschinen und Mühlen-Produzenten beschlossen, dieses Mal auszustellen. Daher haben wir uns entgegen der ursprünglichen Pläne kurzfristig doch auf den Weg gemacht. Viele ausgestellte Produkte kannten wir schon von der Host letzten Herbst. Es hat sich aber trotzdem gelohnt.
Hier die Espressomaschinen-Neuigkeiten für Sie zusammengefasst.
Der spanische Mühlenhersteller war einer der großen Abwesenden der vorjährigen Host. Doch intern wurde sehr viel entwicklet. Daher waren dieses Mal viele interessante Neuigkeiten im Gepäck.
Das komplette on-demand Line-Up wird Anfang 2023 neu aufgelegt werden. Es sind dies große Veränderungen:
Die Einsteigermühle K3 Touch bekommt ein neues, moderneres Design. Die Zeiteinstellung bleibt hier leider "alt" (= nur ein Einstell-Drehrad).
Allerdings gibt es dafür eine K3 Pro mit 2 einfach auswählbaren Zeiteinstellungen. Die K3 bietet - aus unserer subjektiven Sicht - auch jetzt schon die beste Mahlqualität in dem Preisbereich. Nun kommt diese endlich mit 2 Dosiereinstellungen. Aus unserer Sicht wird die K3 Pro die interessante Variante.
Auch die Geschwister-Mühlen für den semi-professionellen und professionellen Bereich bekommen ein komplett neues Design: Neue Korpus-Form, hochauflösendes Touch-Display und viele kleine Detailverbesserungen:
Neu ist auch die Gastro-Mühle Bolt für extreme Mengen-Bedürfnisse: Diese kann als Direktmühle verwendet werden oder bei sehr hohem Bedarf auch als Dosiermühle. Dazu wird immer genau 1 Doppelportion vorgemahlen. Mit Siebträger kurz rein und raus ist dieser gefüllt und die nächste Portion wird gleich vorgemahlen.
Bei Mühlen-Platzhirsch Eureka war viel los: Schon alleine die Mitarbeiter-Dichte am Stand war enorm. Die Mühlen-Neuerungen dagegen hielten sich in Grenzen. Das Pulver war schon auf der Host verschossen worden.
Spannend war aber ein Prototyp, der vor Ort verwendet wurde: Keine Mühle, sondern eine Espressomaschine. Ja: Eureka überlegt, auch Espressomaschinen zu bauen. Die Maschine wirkte wertig - Innovation war aber wenig dabei (Zweikreiser mit E61 Brühgruppe). Eine spannende Ansage: Wir sind gespannt, was daraus wird.
Ascaso hat eine kleine Änderung präsentiert, wenn auch eine durchaus interessante. Die Steel PID Duo erhält ein Drehrad beim Dampfhahn. Damit kann man etwas warten, bis sich der Dampf ausreichend aufgebaut hat, bevor man diesen aus der Düse lässt. Das reduziert den größten Nachteil der Steel Duo enorm: Das etwas "patscherte" Handling des Dampfes. Auch das Ausdampfen nach dem Schäumen wird damit schneller und einfacher. Erstmals wird das Gerät nun auch für vorwiegende Milchgetränke-Liebhaber interessant.
Ab September gibt es auch einen Holz-Hebel optional statt dem Drehrad: Schaut lässig aus wie wir finden.
Lelit bringt einen optischen Aufputz. Mara X und Bianca gibt es bald auch in Weiß und Schwarz mit hellem Holz. Funktionell gab es nichts neues.
Elektra hatte auch keine neuen Geräte zur Präsentation. Die auf der Host präsentierte Verve Mini wird aber nach dem Sommer in Produktion gehen.
Ein kleines US-Unternehmen aus Denver, Colorado nimmt sich dem Thema Handhebel-Maschinen an: Das Ziel ist, den Charme einer Handhebelmaschine zu verbinden mit moderner Technik wie PID und APP-Monitor. Das Ergebnis soll zu einem attraktiven Preis angeboten werden. Unsere Ohren waren schnell gespitzt.
Die Odyssey Espresso Maschine hat einen PID-gesteuerten Boiler. Die Temperaturänderung geschieht einfach mit einem Drehknopf. Gleichzeitig wird auch die Brühgruppe beheizt. Um die Temperatur am Kaffee konstant zu halten, werden diese beiden Heizbereiche elektronisch und koordiniert ausgesteuert. Der Druck passiert entweder per Hand oder mit einer Feder. Das kann man umrüsten bzw. auch schnell hin und her wechseln.
Wenn man auch Dampfen möchte, ist die Aufheizung über einen kleinen Knopf möglich. Über eine App kann man aktuelle Werte ablesen und sogar den Druckverlauf der Extraktion verfolgen. Das Gerät ist recht platzsparend - nur 15 cm Breite werden benötigt.
Preislich wird es unter € 1.000 liegen. Wir finden das Gerät wirklich interessant und sehen auch Marktpotential dafür: Sei es für reine Espresso-Liebhaber, die wenig Kaffees hintereinander zubereiten. Auch als Urlaubs-Espressomaschine würde sie sich gut machen und einpacken lassen.
Die ersten Geräte werden aktuell produziert. Wann die Espresso-Maschine breit bei uns verfügbar sein wird, ist noch nicht abzusehen.
Bescheidenheit dem Team von Unica fremd. Auf der Webseite steht "Die beste Espressomaschine" und auch am Stand bekamen wir die Überzeugung in dieser Form transportiert.
Der Schweizer Newcomer ist definitiv innovativ. Dampf ist traditionell mit einem Boiler (0,5l). Das Brühwasser wird mit mehreren nacheinander geschaltenen Heizungen gemacht - Details wurden nicht verraten ("Wir können ja nicht alles erzählen").
Das Kernstück ist aber der eingebaute Computer. Über das Touch Display können extrem viele Optionen eingestellt werden bzw auch Auswertungen gemacht werden.
Man kann über Espresso hinausgehende Rezepte hinterlegen. Beispielsweise wird Wasser aus dem Auslauf und Kaffee aus dem Siebträger angeleitet zu einem Americano. Das Gerät zeigt bei jedem Bezug einen Balken an, wie gut die Einstellungen (der Mühle) waren. Temperaturen und Volumetriken sind sehr präzise einstellbar.
Vor allem kann die Unica auch Druckprofile ablaufen lassen. Die eingebaute Pumpe kann offensichtlich Druckverlaufe gut aussteuern. Das ermöglicht extrem viele Extraktionsvariationen.
Das Innenleben besteht laut Hersteller bei den wasserführenden Komponenten rein aus Edelstahl. Auch der Tank - übrigens nach vorne herausnehmbar - ist aus Edelstahl. Festwasser ist aber auch möglich.
Zugegeben, die Liste ist lang und beeindruckend. Natürlich konnten wir vor Ort nicht wirklich testen, ob die Maschine auch das liefert, was sie verspricht. Der am Stand verkostete Kaffee war in Ordnung aber aufgrund Problemen mit der Mühle auch nicht wow.
Der Preispunkt ist Schweiz-like: rund € 7.000 werden es sein. Funktionell braucht sich die Unica gegenüber anderen Geräten in der Preisklasse nicht zu verstecken - ganz im Gegenteil. Über Updates können auch neue Funktionen eingespielt werden. Designmäßig sind wir noch nicht so überzeugt - da wirken andere Geräte unserer Meinung nach harmonischer und hochwertiger.
Die ersten Geräte sind gerade in Auslieferung. Die weitere Entwicklung der Unica zu beobachten, bleibt sicher spannend. Einige Ideen haben das Potential, den Markt nachhaltig zu beeinflussen. Ob wir hier einen Marktrenner gesehen haben: Da sind wir uns nicht sicher.
Der Espazzola hat vor rund 4 Jahren die Brühgruppenreinigung vereinfacht und ist ein voller Erfolg. Nun stellten die Macher wieder ein völlig neues Konzept vor: Ein Tamper, der gleichmäßiger komprimiert. Der Idroprep hat einen integrierten Gel-Boden. Damit soll die Verdichtung des Kaffeemehls auch dann gleichmäßig sein, wenn der Kaffee nicht perfekt im Siebträger verteilt wurde.
Es ist eine völlig neue Herangehensweise an das Thema. Bisher versuchte man möglichst gleichmäßig zu verteilen und dann gerade zu tampen. Nun soll der Idroprep einen gleichmäßigen Kuchen produzieren bzw weniger komprimierte Bereiche vermeiden (und somit Channeling).
Das ist vor allem beim 1-Tassen-Sieb eine interessante Idee. Dort sind ja die Füllhöhen innen und außen unterschiedlich und dementsprechend auch die Verdichtung. Ob es beim 2-Tassen-Sieb sinnvoll ist - da sind wir uns nicht so sicher.
Wir werden den Idroprep aber auf jeden Fall testen und bei der nächsten Espazzolla Bestellung mitordern.
Ein netter Stand war auch der der Australier von Pesado. Die haben den langen Weg von Brisbane nach Mailand gemacht und Ihre freaky Espresso-Tools vorgestellt. Neu im Portfolio sind ein Puck Screen. Dies ist ein rundes Metallgitter, welches man vor dem Einspannen auf den Kaffeepuck legt. Das werden wir wohl bald auch anbieten und ist als Produkt ja schon bekannt. Auch das Kaffeemehl-Manipulationstool mit den Nadeln ist neu im Angebot.
Wir erleben viel Bewegung bei den Produkten, aber auch bei den Firmen selbst. Lelit wurde ja vor einiger Zeit übernommen. Bellezza ist nun unter dem Dach von Carimali. Und das ist wohl noch nicht das Ende der Konsolidierung bei den Maschinenherstellern.
In den nächsten Monaten werden die vorgestellten Innovationen dann auch wirklich am Markt landen. Und die neuen Entwicklugen werden wir wohl dann wieder geballt auf der Host im Herbst 2023 sehen.
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