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Freak-Artikel: Wir haben Temperatur-Präzision bei Espressomaschinen getestet

Fühlen wir der Temperatur auf den Zahn

Freak-Artikel: Wir haben Temperatur-Präzision bei Espressomaschinen getestet Fühlen wir der Temperatur auf den Zahn

Was macht eine Espressomaschine? Etwas vereinfacht gesagt presst sie Wasser mit dem richtigen Druck und der richtigen Temperatur durch das Kaffeemehl. Doch was ist richtig? Und wie präzise ist dies?

Die Temperatur ist der Parameter mit dem größten Einfluss und auch den größten Qualitätsunterschieden zwischen Geräten.

Ambitionierte Interessenten fragen uns oft "Ich mag diese Maschine aber ist sie stabil?". Nein, sie meinen damit nicht, ob die Kaffeemaschine von der Küchenarbeitsfläche fallen wird. Die Frage bezieht sich auf die Präzision der Wassertemperatur. Ist beispielsweise eine angezeigte Temperatur auch wirklich real. Und bleibt diese Temperatur stabil während des gesamten Extraktionsvorgangs?

Bisher findet man Antworten auf diese Fragen vor allem für große Gastogeräte. Wir wollten aber herausfinden, ob wir die Präzision auch bei Haushaltsgeräten sinnvoll messen können? Und was macht da ein Technikinteressierter zuerst: Er kauft teure Messgeräte.

Stichwort: Reproduzierbarkeit!

Die Temperaturstabilität spielt eine wesentliche Rolle, wenn man das beste Rezept für eine Kaffeesorte finden will.

Alle Ein- und Ausgangsparameter (z.B.: Gewicht und Mahlgrad des Kaffeepulvers und Gewicht des Espresso) müssen in dem Prozess kontrolliert bzw. gemessen werden. Änderungen erfolgen nur langsam und schrittweise bis der beste Espresso (Vorsicht: Geschmacksache!) in die Tasse rinnt. Die Brühtemperatur soll dabei zumindest möglichst stabil, optimalerweise auch veränderbar sein.

Üblicherweise spricht man davon, dass man 2° Temperaturunterschied schmeckt. Temperaturschwankungen von 5° sind also oft schon geschmackliche Welten und gleichzeitig bei den meisten Espressomaschinen normal.

 

Soll ich die Entscheidung für ein bestimmtes Modell also überlegen?

Wenn Sie Ihren Espresso mehr die kräftige, italienische Art trinken, dann ist die stabile Brauwassertemperatur nicht der wichtigste Faktor, weil diese tendenziell dunklere Röstungen auf kleineren Temperaturschwankungen (ca. ±2 ℃) nicht so empfindlich sind.

Helle Röstungen haben allerdings ein komplexeres Geschmackspektrum von fruchtigen (säurehaltig) bis nussigen Noten. Kleinere Temperaturunterschiede machen hier eine wesentlich größere Geschmackänderung. Helle Röstungen können oft extra lang (bis zu 90 Sekunden - heißt manchmal „Slayer Shot“) gebraut werden - dabei spielt die Temperaturstabilität eine grosse Rolle. 

Die Test-Sequenz

So starteten wir mit dem Plan, die Temperaturstabilität aller Siebträger zu testen, die wir verkaufen. Wir möchten einige Fragen beantworten: Wie stabil sind die besten (= teuersten?) Geräte? Ist ein kleiner Einkreiser oder ein Zweikreiser stabiler?,...

Zuallererst suchten wir nach einem standardisierten Test. Den gibt es zum Glück. Dieser prüft Geräte auf die Tauglichkeit für internationale Kaffee-Wettbewerbe  (Dokumenttitel:  Word Coffee Events  Procedure for the Measurement of Brewing Water Temperatur in Espresso Coffee Machines / 2017).

Es werden Brühsequenzen simuliert und die Temperatur wird dabei jede Sekunde gemessen. Konkret beinhaltet die Sequenz vierzehn (14) simulierte Espressozubereitungen (Test Punkte). Es startet mit langen Leerlaufzeiten zwischen den Zubereitungen und endet mit gerade einmal 10s, wie die Tabelle unten darstellt.

Test Punkte (einzelne  Espressovorbereitungen)

Leerlaufzeit [mm:ss]

1.

10:00

2.

05:00

3.

02:00

4.

01:00

5.

01:00

6.

00:30

7.

00:30

8.

00:10

9.

00:10

10.

00:10

11.

00:10

12.

00:10

13.

00:10

14.

00:10

Jede simulierte Espressozubereitung umfasst folgende Schritte: 

  1. Leerlauf: Die Maschine bleibt in Leerlauf (eingeschaltet, aber ohne Aktivierung der Pumpe) mit eingestecktem Siebträger für die angegebene Zeitspanne
  2. Simulation Vorbereitung: Simulation der Entsorgung des Puck, Mahlung sowie Tampen: Der Siebträger ist für 25 Sekunden von Brühkopf entfernt. Während dieses Zeitraums wird der Wasserüberschuss vom Siebträger abgelassen und eine kurze Spülung betätigt (max. 2 Sekunden)
  3. Extraktion: Die Temperatur-Messung fängt nach Einspannen des Siebträgers und Aktivierung des Brühvorgangs an. Dieser dauert genau 25 Sekunden und ca. 25 Gramm Wasser sollten in der Tasse landen.    

 

Spezielle Messinstrumente für präzise Daten

Um zuverlässige Daten zu erhalten, braucht man Spezialwerkzeuge.

Die Temperatur kann man leider nicht präzise genug messen, indem man einen Temperaturfühler in den Wasserfluss hält. Die Kaffeeextraktion (z.B. Kaffee Puck, passender Wasserdurchfluss) muss ebenso simuliert werden. Das Referenzwerkzeug der Kaffeebranche ist der SCACE Thermofilter 1, den wir uns besorgten.

SCACE inkludiert einen Typ-T Temperaturfühler in der richtigen Stellung mit <0,25 Second Reaktionszeit. Ebenso wird der Kaffee Puck mit einer Kunstoffeinlage simuliert. Diese hat eine Wärmeleitfähigkeit unter 0.5 Watt/meter Kelvin (W/mK). Der Thermofilter wird wie ein anderer Filtereinsatz in einen bodenlosen Siebträger gegeben.

Zur Datenerfassung haben wir ein standardisiertes Industrie-Thermometer, ein FLUKE 54 II, erworben. Dieses speichert alle Messwerte ab - eine Notwendigkeit: Wir sprechen bei 14 Durchläufen ja doch von 350 Temperaturmessungen.

Die Daten warfen wir in eine Spreadsheet und berechneten die Standardabweichung [S] für alle 14 Stücke Test Punkte berechnet. 

Eine Espressomaschine ist für „World Barista Event“ (WBE) Wettbewerb geeignet, wenn:

  • die zweifachen Höhe der Standardabweichung (Reproduzierbarkeit; R = 2 x S) weniger als 1,1 ist.
  • und die durchschnittliche Brühtemperatur für jede der vierzehn Zubereitungen zwischen 90,5 und 96,0 ist.

Ergebnisse (Liste wird laufend erweitert)

Wir haben die ersten Testreihen durchgeführt und möchten ein Ergebnis hier schon bekanntgeben.

Espressomaschine

Typ

Reproduzierbarkeit (R = 2 x S)   [℃]

Elektra VERVE mini
(Prototyp 2022)

Dual Boiler

Temperatur-Standardabweichung: 1,9°
Reproduzierbarkeitswert (2 x S) = 3,81

LELIT Bianca
(Ausstellungsgerät DieRöster
Baujahr 2018)

Dual Boiler

Test1:
Temperatur-Standardabweichung: 0,325°
Reproduzierbarkeitswert (2 x S) = 0,65

Test 2:
(mit offenem Fenster nebenan - gleichzeitig mit Verve Messung)
Temperatur-Standardabweichung: 0,585°
Reproduzierbarkeitswert (2 x S) = 1,12

Elektra VERVE
(Prototyp 2019)

Dual Boiler

Temperatur-Standardabweichung: 0,437°

Reproduzierbarkeitswert (2 x S) = 0,875

San Remo YOU *
(Modell 2022)

Dual Boiler

Temperatur-Standardabweichung: 0,795°

Reproduzierbarkeitswert (2 x S) = 1,53

BFC Junior ELA
(Ausstellungsgerät DieRöster Baujahr 2019)

Zweikreiser

Temperatur-Standardabweichung: 2,4°
Reproduzierbarkeitswert (2 x S) = 4,8

Lelit Mara PL62W
(Ausstellungsgerät DieRöster Baujahr 2019)

Zweikreiser

Temperatur-Standardabweichung: 4,2°
Reproduzierbarkeitswert (2 x S) = 8,4

Lelit Mara PL62X
(Ausstellungsgerät DieRöster, Baujahr 2020)

Zweikreiser

Temperatur-Standardabweichung: 1,98°
Reproduzierbarkeitswert (2 x S) = 3,96

Ascaso Duo PID
(Ausstellungsgerät DieRöster, Baujahr 2021)

Duo Thermoblock

Temperatur-Standardabweichung: 1,28°
Reproduzierbarkeitswert (2 x S) = 2,57

BFC Perfetta
(Ausstellungsgerät DieRöster, Baujahr 2019)

Einkreiser

Temperatur-Standardabweichung: 5,2°
Reproduzierbarkeitswert (2 x S) = 10,4

Lelit Victoria PL91T
(Ausstellungsgerät DieRöster, Baujahr 2016)

Einkreiser

Temperatur-Standardabweichung: 1,31°
Reproduzierbarkeitswert (2 x S) = 2,62

Xenia
Testgerät Baujahr 2020

Zweikreiser

Temperatur-Standardabweichung: 0,64°
Reproduzierbarkeitswert (2 x S) = 1,29

Crem ONE 2B R-LFPP Dual
Testgerät Baujahr 2019

Dual Boiler

Temperatur-Standardabweichung: 1,2°
Reproduzierbarkeitswert (2 x S) = 2,4

La Marccozzo Linea Mini *
Test bei Home Setup eines Kunden

Dual Boiler

Temperatur-Standardabweichung: 1,05°
Reproduzierbarkeitswert (2 x S) = 2,1

* Bei der Linea Mini und der San Remo You war zu beobachten, dass das im Test durchgeführte Flushing negativ für die Stabilität ist. Wir nehmen an, dass eine Testreihe ohne Flushen besser wäre. Wir führen für alle Geräte aber das Standard-Verfahren durch.

Referencen: 

  • World Coffee Events Procedure for the Measurement of Brewing Water Temperature in Espresso Coffee Machines / 2017

https://www.worldcoffeeevents.org/wp-content/uploads/2017/01/2017-WCE-Procedure-for-Measuring-Brewing-Temperature-in-Espresso-Machines-2.pdf

Suchen Sie Stabilität aber vergessen Sie nicht andere Faktoren

Die Unterschiede sind deutlich ersichtbar. Sollte der gelistete Wert nun für Sie ein wichtiges Entscheidungskriterium bei der Auswahl sein?

Wenn Sie ein ambitionierter Espressomaschinen-Benutzer sind, dann ist eine gute Temperaturstabiltät eine wichtige Voraussetzung. Dementsprechend sollten Geräte mit einer durchschnittlichen Abweichung von mehreren °C für Sie ausscheiden.

Auch bei den Top-Geräten sind Unterschiede vorhanden. Diese würden wir aber auch nicht überbewerten - die Aussagekraft beispielsweise zwischen 0,4°C oder 0,7°C Abweichung sehen wir als eher gering:

  • Messgeräte haben Toleranzen und andere Faktoren wie die Umgebungstemperatur können beeinflussen. Wir haben einige Maschinen mehrmals gemessen. Das Gesamtergebnis variiert hier durchaus im Bereich von +/- 0,4°C. 
    Die Grundtendenz wurde aber jedes Mal bestätigt. Wir hatten also kein Gerät, welches einmal 2,0 °C Abweichung hatte und beim nächsten Mal mit unter 1 °C brillierte.
  • Die Messmethode beinhaltet auch sehr kurze Extraktions-Pausen, die in der privaten Praxis selten vorkommen. So ist eine negative Test-Beeinflussung kleiner Boiler für den täglichen Kaffee nicht relevant.
  • Bei so geringen Unterschieden in der Temperatur, sind andere Faktoren dann viel entscheidender: Druckkonstanz und -verläufe, wie gleichmäßig kommt das Wasser aus dem Duschsieb und natürlich, wie sauber arbeiten Sie selbst.

 

 

 

Temperaturstabilität bei Espressomaschinen (Video)

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