Alle zwei Jahre wird es für Espressomaschinen-Händler spannend: Was gibt es Neues? Sollen wir was ins Portfolio aufnehmen? Die Branche trifft sich für die HOST in Mailand.
So sind auch wir voller Vorfreude zu der riesigen Messe gefahren. 45 Hersteller von Maschinen und Zubehör hatten wir für einen Besuch aufgelistet. Nach zwei intensiven Tagen hatten wir diese und noch ein paar weitere besucht. Wir haben uns auf Espressomaschinen, Mühlen und Zubehör für daheim und Büros fokkussiert.
Hier unsere persönlicher Eindruck der aktuellen Trends und auch ein paar Andeutungen, was vielleicht auch bald bei uns zu finden ist.
Anfang des Jahres hat Filippo von Elektra angerufen und gefragt, was wir uns von einer Elektra Neuentwicklung im High-End Bereich wünschen. Auf die Frage, ob das Gerät für die Host fertig sein wird, meinte er: "Das glaube ich nicht". Doch vor 2 Woche kündigte er ein neues Gerät an ohne weitere Infos zu nennen. Pünktlich zum Messestart waren wir unten den ersten paar Besuchern am Elektra Stand und Filippo nahm sich viel Zeit, um uns das Gerät zu erklären. Natürlich testen wir es auch selbst.
Ein Kurzportrait: Die Verve ist eine wunderschön verarbeiteter Dual Boiler mit vielen Besonderheiten.
Das Top-Modell im Gastro-bereich von Elektra ist die Indie. Die Verve übernimmt die Brühgruppen-Technologie der Indie - eine sogenannte gesättigte Brühgruppe. Daher befindet sich direkt in der Brühgruppe ein Boiler mit 140ml, der die Temperatur ganz genau und präzise und nahe am Kaffeepuck regelt. Das hört sich jetzt klein an - das Wasser kommt aber vorerhitzt schon dort hin, sodass es in Wirklichkeit gerade richtig. Die Verve hat eine super Präzision bei der Brühtemperatur und entspricht sogar den strengen Wettbewerbsbedingungen für SCE Meisterschaften. Das schaffen sonst nur die großen Gastro-Geräte.
Temperaturverlust-Ungenauigkeiten wie bei der E61 Brühgruppe sind damit passe.
Der Dampfboiler ist hingegen klassisch ein 1,6 l Boiler. Elektra hat - wie immer - einen tollen Job bezüglich des Designs gemacht. Das Gerät erscheint äußerlich recht manuell - ist aber unter der Haube technisch ausgeklügelt. Erreicht wird dies über eine Steuerung auf dem Handy: Temperatur, Preinfusionszeiten, Sleep-Timer können eingestellt werden und Rezepte sind speicherbar. Eine Rotationspumpe und Festwasseranschlussmöglichkeit sind natürlich auch dabei. Aber auch beim Tankbetrieb ist nicht so schnell Schluss: 5 Liter hat dieser. So brauchen Sie nicht einmal bei der großen Familienfeier den Tank nachfüllen.
Aussen ist die Verve auch hochwertigem Edelstahl mit Holzelementen. Die Boiler sind übrigens Edelstahl. Aja und haben wir schon erwähnt, dass sie wunderhübsch ist - wohl schon aber das kann man ruhig ein zweites Mal.
Der voraussichtliche Preis für die Verve beträgt € 2.900,-. Wir werden ab Mitte Jänner die ersten Geräte bei uns haben. Vorbestellungen sind ab sofort möglich.
Auch bei Lelit gibt es etwas Neues - konkret eine neue Version des schlanken Zweikreisers Mara: Die X-Variante. Diese hat ein paar kleinere Verbesserungen und eine große.
Bisher waren wir sehr kritisch, wenn wir Zweikreiser mit PID kombiniert sahen. Man kann ja üblicherweise nur die Temperatur des einen Kessels und daher den Dampf steuern. Die Kaffee-Brühtemperatur verändert sich indirekt und unpräzise. Bei der X wurde das mit einem neuen Konzept verändert: Die Wärmetauschung im Dampfboiler ist nun ein dickerer Kanal mit eingebauter Temperatursonde. Somit ist es neu möglich, die Temperatur basierend auf dieser Sonde zu steuern. Es bleibt ein Zweikreiser, aber man steuert die Kaffeetemperatur. Das ist einzigartig am Markt.
Die kleineren Verbesserungen sind folgende:
Das neue Modell ist besonders für alle interessant, die sich mit der Temperatur spielen möchten, aber nicht den Platz bzw das Budget für einen Dual Boiler haben. Verfügbar ist die X voraussichtlich im Februar zu einem recht interessanten Preis (noch vorläufig und daher nicht kommunizierbar).
Auf unserer langen Liste hatten wir viele etablierte Hersteller. Wir wollten sehen, was es in der Branche neues gibt. Vieles hat uns überzeugt - davon berichten wir hier. Manches nicht - das lassen wir unerwähnt.
Beeindruckt hat uns San Remo. Der Gastro-Espressomaschinen-Hersteller hat optische aussen viel zu bieten. Doch Opera und Café Racer sind auch super solide aufgebaut. Ein Australischer Service-Techniker hat dies live demonstriert indem er vor Ort eine dreigruppige opera zusammengebaut hat. Er hat uns das Innenleben im Detail erklärt und echt überzeugt. Sehr viel ist mechanisch und super robust gelöst. In Melbourne gibt es Cafés, die auf einer solchen dreigruppigen Maschine 2500-3000 Kaffees / Tag machen - eine wirklich beeindruckende Zahl.
Mühlemäßig sind für uns Ceado und Compak immer einen Besuch wert. Die Mühlen sind von eine super Qualität und sehen gut aus. Leider können die jeweiligen Haushalts-Mühlen der beiden Hersteller nicht ganz mit den kommerziellen Varianten mithalten. Wer Platz hat, der hat hier aber gute Optionen.
Die Rancilio Silvia ist für viele Espresso-Liebhaber der Einstieg. Neu kommt 2020 die Pro-Variante: Ein Dual Boiler mit einem mittelgroßen Dampf-Boiler und einem 300 ml Brühboiler. PID Steuerung ist damit natürlich auch dabei. Preislich wird die Pro-Variante mehr als das doppelte der kleinen Silvia kosten. Ein Knackpunkt hier könnte unserer Meinung nach das Design sein. Die Silvia wird meist nicht deswegen gekauft. Wir glauben aber, dass dies in der Preisklasse der Pro eine größere Rolle spielt. Und da ist beispielsweise die Lelit Elisabeth bei ähnlicher Spezifikation wohl doch attraktiver.
Interessant war auch die Demonstration am Reneka Stand. Der französische Hersteller hat ja ein Patent für seine Brühgruppe. Es ist hier nicht nötig, zu tampen. Die Brühgruppe macht das eigenständig. Das ist ein spannendes und funktioniertendes Konzept vor allem für Umgebungen mit vielen Benutzern. Nun haben sie auch eine Dampflanzen-Option präsentiert, die Milch automatisch schäumt. Es war beeindruckend: Einen ähnlich guten und feinporigen Milchschaum hatten wir von so einer Lanze noch nicht gesehen. Der Unterschied zu einem perfekten handgeschäumten Cappuccino war schon recht gering.
Manche Eureka Mühlen haben wir ja im Programm und sind da auch sehr zufrieden. Die neuen Produkte der HOST sind wohl eher nicht für unsere Zielgruppe. Die optisch extravagante "Zeus" ist ein Produkt für sehr hohe Frequenzen und auch dementsprechend groß. Sie sieht auch sehr futuristisch aus.
La Marzzocco ist ja bekannt für eine Vorreiter-Rolle bei Espressomaschinen-Technologie. Viele Dinge sind bekannt.
Zwei neue Ansätze fanden wir recht interessant - diese werden nächstes Jahr in Geräten gelauncht.
Erstens kombiniert La Marzzocco eine eingebaute Waage mit dem Pressure Profiling. Traditionell werden Druckverläufe aufgrund des zeitlichen Ablaufs gesteuert. Beispielsweise also 2 Sekunden 4 bar, dann 5 Sekunden 6 bar usw. Nun werden Druckverläufe aufgrund der Extraktionsmenge gesteuert. Man stellt dann beispielsweise 4 bar bis zu 2 ml ein, 5 bar bis zum sechsten ml usw.
Manchmal und vor allem in Italien werden die Siebträger nicht bis zum Duschsieb gefüllt. Oft ist der Kaffee einige cm unter diesem im gepressten Zustand. Damit der Kaffee nicht aufgewirbelt wird, hat La Marzzocco einen Sensor eingebaut, der erkennt, ob der Zwischenraum zwischen Duschsieb und Kaffee schon gefüllt ist. Nur wenn dies erreicht ist, dann kommt auch der "richtige" Druck auf den Puck.
Beide Technologien sind nur für die High-End Top-Modelle geplant.
Viele Hersteller sind altbekannt. Doch wir entdeckten auch ein paar interessante - für uns neue - Firmen:
Crem stellt Kaffeemaschinen und unter anderem Espressomaschinen für daheim her. Die Geräte wirken sehr gut verarbeitet und auch recht wertig. Sowohl ein günstiger Zweikreiser, als auch ein ausgeklügelter Dual Boiler ist im Angebot. Die Firma werden wir uns noch genauer ansehen.
DIP ist ein rumänischer Mühlenhersteller. Nicht nur der am Boden stehende Mahlriese mit 100kg Stundenleistung hat uns beeindruckt. Auch die kleinste Mühle mit 65mm Mahlscheiben ist sehr wertig verarbeitet, gut durchdacht und recht einfach zu reinigen.
Ebenfalls überzeugt hat uns Sigma - ein koreanischer Mühlenhersteller. Dieser hat wirklich wertige Mühlen mit einem Single Origin Kaffee demonstriert, der von Firmeneigenen Baristi geröstet wurde. Die hohe koreanische Kaffeekultur übersetzt sich langsam auch in koreanische Hersteller.
Ein Streifzug durch die HOST ist beeindruckend und gibt Aufschluss über die aktuellen Entwicklungen im Espressomaschinen-Bereich. Ciao Host - wir sehen uns in 2 Jahren.
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